RADIOAKTIVE STOFFE UND WEITERE WASSERGEFÄHRDENDE STOFFE

Nach dem § 2 (2) der TrinkwV kann die zuständige Behörde (Gesundheitsamt) die Untersuchungen radioaktiver und weiterer wassergefährdender Stoffe verlangen, soweit eine akute Gefährdung vermutet werden kann: "Andere als in der Anlage 2 aufgeführte Stoffe und radioaktive Stoffe darf das Trinkwasser nicht in Konzentrationen enthalten, die geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu schädigen".

 
Radioaktive Stoffe     Radioaktive Stoffe (Rodionuklide, Isotope) dürfen nach § 2 Abs. 2 der TrinkwV nicht in "Konzentrationen vorhanden sein", die "die menschliche Gesundheit schädigen". In der TrinkwV sind aber für diese Stoffe keine Grenzwerte angegeben, da man die Auflagen der Strahlenschutzverordnung (dort werden Dosisgrenzwerte für die "Jahresaktivitätsaufnahme" festgelegt) zum Schutz der menschlichen Gesundheit für ausreichend erachtet. Dabei wird davon ausgegangen, daß unter normalen Bedingungen eine Begrenzung der Konzentrationen radioaktiver Stoffe nicht notwendig ist, sondern daß die Auflagen erst bei "außergewöhnlichen Ereignissen" (z.B. nach Unfällen und großflächiger Kontaminationen) in Kraft treten müssen. Die Erfahrungen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zeigten jedoch, daß die zuständigen Untersuchungsstellen in einem solchen Fall völlig hilflos waren und häufig auch nicht in der Lage waren, die entsprechenden Kontrollen des Trinkwassers auf Radionuklide durchzuführen. Erst danach wurden einige Untersuchungsstellen, zumindest für Lebensmittel eingerichtet.

 
Natürliche Nuklide     Trinkwasser und besonders manche Mineralwässer können natürliche Radionuklide (Isotope) enthalten, insbesondere Radium-226 aber auch das Edelgas Radon-222 sowie Uran-238, Kalium-40, Tritium und andere.

 
Künstliche Nuklide     Künstliche Radionuklide (Isotope) können aus Kernkraftwerken (v.a. nach "Störfällen") aus dem Kernbrennstoff-Kreislauf, aus oberirdischen Kernwaffentests (Fallout, bis in die 60er Jahre), aus dem Bergbau, aus technischen und medizinischen Anwendungen stammen.
Die wichtigsten Isotope (Radionuklide), die im Fallout des Unfalls von Tschernobyl gemessen wurden, waren unter anderem Jod-131, Strontium-90, Caesium-134 und -137, Plutonium-239 und etwa 50 weitere Isotope. Im Gegensatz zu den meisten natürlchen Radionukliden, werden diese künstlichen Nuklide im Organismus stärker inkorporiert (z.B. Caesium in den Muskeln, Strontium in den Knochen, Jod in der Schilddrüse) und stellen dort eine gefährliche Strahlenquelle dar.

 
Vinylchlorid u.a.
flüchtige
halogenierte
Kohlenwasserstoffe      Neben Vinylchlorid (Chlorethen), dem Monomer von PVC, das ein starkes Lebergift und krebserregend (Leberkrebs: Hämangiosarcom) ist, werden auch 1,1-, cis- und trans- Dichlorethen untersucht. Diese Substanzen gelangen in das Grundwasser vor allem als Folge des biologischen Abbaus von Tri- und Tetra (Per-)chlorethen (TRI, PER). Diese Stoffe sollen in die Parameterliste der LCKW nach TrinkwV aufgenommen werden.

 
Frigene
FCKW     Diese leichtflüchtigen Fluor-Chlorkohlenwasserstoffe (FCKW) sind vor allem als Zerstörer der Ozonschicht bekannt. Ihre Toxizität ist relativ gering: Die niedermolekularen FCKW werden vor allem als Kühlmittel (Frigene) und wurden früher auch in Sprays verwendet.
Bei den niedermolekularen FCKW (bis 4 C-Atome) wird eine spezielle Nomenklatur angewendet. R steht für Refrigerant es folgt eine 2 bis 3 stellige Zahl. Die 1. Ziffer steht für die Anzahl der C-Atome minus 1, die 2. Ziffer gibt die Zahl der H-Atome plus 1 an, die 3. Ziffer die Zahl der F-Atome. Zum Beispiel: R12 für Dichlordifluormethan.

 
Nitroaromaten
Aminoaromaten
TNT     Nitro- und Aminoaromaten als Kontaminationen des Trinkwassers sind sind häufig die Folge von großflächigen Verunreinigungen durch sog. Rüstungsaltlasten, besonders durch ehemalige Produktionsanlagen für Sprengstoff. Die "Leitsubstanz" ist dabei häufig TNT (2,4,6- Trinitrotoluol). Als wichtigste Nebenprodukte treten Dinitrotoluole (2,4-DNT, 2,6-DNT) und Mononitrotoluole auf.

 
Metabolite     Die bedeutendsten, im Grundwasser nachgewiesenen Metabolite sind die Reduktionsprodukte des TNT, die Aminodinitrotoluole und Diaminonitrotoluole sowie die entsprechenden "Abbauprodukte" der DNT, die Aminonitrotoluole. Einige dieser Substanzen gelten als krebserregend. Darüber hinaus werden bestimmte Konjugate und andere Kupplungsprodukte sowie hochpolare (wasserlösliche) Verbindungen wie Nitro- und Aminobezoesäuren und -Sulfonsäuren in teilweise relativ hohen Konzentrationen im Wasser nachgewiesen.

 
Polare aromatische
Amine     Gerade die hochpolaren, wasserlöslichen Abbauprodukte der Nitroaromaten wurden lange wegen ihrer etwas aufwendigeren Anreicherung und chemischen Analytik nicht zur Kenntnis genommen oder nur über einen unspezifischen Summenparameter bestimmt. Dieser Summenparameter auf kupplungsfähige aromatische Amine, bestimmt als p-Nitranilin wird nach Anreicherung durch Eindampfen der Probe, anschließende Diazotierung und Kupplung mit NEDA und photometrischer Bestimmung des entstandenen Azofarbstoffes bestimmt. Eine Aussage über Einzelstoffe, deren tatsächliche Konzentration (Bezugssubstanz der Kalibrierung ist p.Nitranilin) und toxisches Gefährdungspotential ist mit dieser Methode nicht möglich. Neben den Nitro- und Aminotoluolen können auch weitere Nebenprodukte wie Di- und Trinitrobenzole und andere Sprengstoffe wie Hexogen, Octogen, Nitropenta, Hexyl, Nitroglycerin sowie deren Metabolite das Trinkwasser im Bereich solcher Altlasten gefährden.

 
Nitro- und Aminoaromaten treten nicht nur Zusammenhang mit Rüstungsaltlasten auf, sondern sind auch wichtige Produkte (bzw. Nebenprodukte) moderner industrieller Produktionen, so z.B. als Abbauprodukte von Pestiziden, als industrielle Grundstoffe in der Kunststoffproduktion (Polyurethan), in der Gummi- und Lederverarbeitung, in der Farbstoffindutrie und in der Parfümindustrie (künstliches Moschus wie z.B. Xylolmoschus: 1,3 Dimethyl-2,4,6- Trinitro-tert.-butylbenzol).

Neben den länger bekannten, verbreiteten Umweltschadstoffen gibt es eine Vielzahl organisch chemischer Stoffe, die das Trinkwasser gefährden können, aber normalerweise nicht in die Trinkwasserüberwachung einbezogen werden:

 
Komplexbildner     Substanzen, die Schwermetalle binden und mobilisieren können, wie der früher verwendete Phosphatersatzstoff NTA (Nitrilotriessigsäure).

 
Industriechemikalien     Vor allem aus der Kunsstoffproduktion: Monomere und Grundchemikalien wie Phosgen, Vinylchlorid, Styrol, Isocyanate, Diamine, Bisphenol, Nonylphenol, Epichlorhydrin, Acrylate, Epoxide, Phenole, Formaldehyd, Glycol u.a. Weichmacher wie Phtalate wie DEHP, Tris (2- chlorethyl)-Phosphat (TCEP) sowie Lösungsmittel, Klebstoffe, Ausschäumer, Additive und Katalysatoren.

 
Weichmacher     Einige dieser Substanzen (v.a. Weichmacher) können im Laufe der Zeit aus den Produkten wieder freigesetzt werden und erscheinen daher als ubiquitäre Fremdstoffe fast überall in der Umwelt, auch im Trinkwasser.

 
Weitere Metalle
und Schwermetalle     Das Erdalkalimetall Strontium hat als Trinkwasserinhaltsstoff keine große Bedeutung, da es meist in Form unlöslicher Sulfate gebunden ist. Das Radionuklid Strontium-90 kann demgegenüber eine Gefährdung des Wassers verursachen. Schwermetalle, die toxikologisch bedeutend sein können aber über deren Trinkwassergefährdung wenig bekannt ist und die nicht in der TrinkwV gelistet sind, sind unter anderem Zinn, Uran, Thallium und ev. auch Palladium und Platin (aus Katalysatoren.).

 
Organische
Schwermetall-
verbindungen     Hier sind vor allem die hochgiftigen organischen Zinnverbindungen wichtig, die für Antifoulinganstrichen bei Schiffen (heute in Europa verboten), als UV-Stabilisatoren für PVC (neben organischen Cadmiumverbindungen) und als Fungizide verwendet werden. Außerdem können organische Arsenverbindungen aus chemischen Kampfstoffen (Clark I und II, Adamsit) und deren Abbauprodukte (Alkyl- und Arylarsinverbindungen) aus Altlasten in das Trinkwasser gelangen.
Organische Quecksilberverbindungen können aus Medikamenten und Desinfektionsmitteln stammen oder über den Bakterienstoffwechsel aus Quecksilbersalzen entstanden sein, wie z.B. Methylquecksilber, das Minamata-Gift.
Aus Benzin oder Autoabgasen können hochgiftige organische Bleiverbindungen (Bleitetraethyl) in die Umwelt gelangen.

 
Arzneimittel     Medikamente im Wasser stellen ebenfalls zunehmend ein Problem dar: Antibiotika, Tranquilizer (v.a. aus der Tiermast), Lipidsenker, Psychopharmaka, Hormone (Östrogene) u.a.

http://www.med.uni-marburg.de/stpg/ukm/lt/umwelthyg/kapb5.htm